JOSSE de MOMPER d. J. (1564 - Antwerpen - 1635) – Weite Berglandschaft mit Achsenbruch (Rocky coastal landscape with castle)
Klaus Ertz hat in seinem Werkverzeichnis der Gemälde unser großformatiges Bild von dem jüngeren Josse de Momper den „Weiten Hügellandschaften“ zugeordnet, mit denen sich Momper seit 1610 vom Vorbild der Berglandschaften vor allem Pieter Bruegels d. Ä. zunehmend emanzipierte. Seine vom Erlebnis der Alpen auf seiner Fahrt nach Italien in den 1580er Jahren inspirierten Berglandschaften erinnern noch an die Fantastik Joachim Patiniers und Bruegels, die sich seit 1610 zunehmend unter dem Eindruck der unmittelbaren Umgebung Antwerpens zu wohl temperierten Hügellandschaften entwickelten.
Auf unserem gegen Ende der 1620er Jahre entstandenem, großformatigen Gemälde vollzieht Momper eine sichtbare Trennung zwischen Vorder- und Hintergrund – sichtbar deshalb, weil sie sich vor allem in der unterschiedlichen Farbigkeit ausdrückt: Während im Vordergrund dunkle, braungrünliche Farben vorherrschen, dominieren im Hintergrund helle, grünlichweiße und blaugrüne Farben. Die Trennung in Dunkel und Hell spielt für Mompers Bildgestaltung eine große Rolle – der Vordergrund – gerahmt links von einem hohen Laubbaum und rechts von einem bewachsenen Felsen - führt als Repoussoir ins Bild, in dem sich der Blick in die damalige Lebenswelt öffnet. Der Blick geht leicht von oben herab – hier wirkt der vogelschauartige Blick auf die Welt von Patinier und Bruegel noch nach – in ein dörfliches Geschehen: Zwischen bizarr anmutenden, mittelalterlichen Gebäuden, von denen man nicht weiß, ob sie bewohnt sind, gehen verschiedene Gestalten ihren ländlichen Tätigkeiten nach – ein Träger mit Kopflast erhält Anweisungen von einer Frau, ein Gläubiger findet sich unter dem Kreuz ein und Hirten ihre Esel aus der Stadt, dorthin, wo in den Hügeln bereits eine Schafherde weidet. Hier liegt ein Hirte auf einer Kuppe, wo er einen Unfall mit einer Kutsche beobachtet. Sie fällt gerade um, wohl weil der Kutscher mit zu hoher Geschwindigkeit geritten ist, die Magd fällt zusammen mit einem Korb voller Lebensmittel aus der Kutsche, aus dem Krug ergießt sich ein breiter strahl – eine Situation voller Dramatik, aber auch nicht ohne Komik.
Ihr Weg führte sie aus der Flachlandschaft in die Hügel, vorbei an der für Momper charakteristischen Windmühle, die an der Grenze von Dunkel und Hell steht, zwischen Vorder- und Hintergrund vermittelt wie der Weg, den der Kutscher gekommen ist. Er führt in den Hintergrund, wo sich unter aquarellartig bläulichem Licht Wege rhythmisch schlängeln, auf denen Landleute ihr Vieh in Dörfer treiben, die in der Ferne erscheinen. Die Aufgeregtheit des Vordergrundes ist einer inneren Ruhe gewichen, in der die Natur in sanftem Licht in den Himmel übergeht, sich die Landschaft in der Ferne aufzulösen beginnt.
Es sind solche Gemälde gewesen, mit denen Momper im Gegensatz zu seinen früheren Berglandschaften unter dem Eindruck der wallonischen Hügellandschaft mehr das Verbindende zwischen nah und fern betont, eine Bildeinheit schafft, die sich beim Publikum höchster Beliebtheit erfreute, weil sie nach 1600 den Übergang zu einem realistischen Blick auf die Natur markierte. Unser großformatiges Gemälde ist für diese Wandlung ein besonders schönes Beispiel.
Dr. Peter Prange
Mit einem schriftlichen Gutachten von Walther Bernt, München, vom 29.9.1971 (in Kopie).
Ertz 340.
Literatur:
Klaus Ertz, Josse de Momper der Jüngere (1564-1635). Die Gemälde mit kritischem Œuvrekatalog, Freren 1986, S. 559, Kat.-Nr. 340, mit Abb.
Provenienz:
Lempertz, Köln, Auktion, 11.11.1964, Los 128, Taf. 43;
Erich Hasberg Antiquitäten, München;
Privatsammlung, Bayern (1972 in obiger Kunsthandlung erworben;
im Erbgang an die heutigen Besitzer.