VOLKER BÖHRINGER (1912 - Eßlingen - 1961) – Swing Swing Madame Swing (Ischia landscape)
„Noch härter als Dix malen! das ist es, was ich will!“
Volker Böhringer
Der Esslinger Künstler Volker Böhringer gehört zu der Altersgruppe der Maler, der sogenannten verlorenen Generation, der Erfolg und Anerkennung durch die Nationalsozialisten lange verwehrt werden. Beeinflusst von der Neuen Sachlichkeit zeigen seine Werke einen kritischen, oft düsteren Realismus. Dieser hat im Deutschland der 1930er Jahre keine Ausstellungschancen. Als er sich schließlich 1937 weigert, in die Reichskammer der bildenden Künste einzutreten, erhält er ein Arbeits- und Ausstellungsverbot und kann nur noch im Verborgenen malen. Die Jahre 1944 bis 1947 verbringt er wegen einer schweren Lungenerkrankung in einem Sanatorium; in dieser Zeit entstehen ausschließlich Zeichnungen. Das Kriegsende bringt ihm nicht die erhoffte Anerkennung. Das neue Deutschland will mit der Vorkriegskunst brechen; es ist die Blütezeit der ungegenständlichen Malerei. Böhringers Kunst mit ihren surrealistischen Elementen passt nicht in den Zeitgeist. Erst 1960, kurz vor seinem Tod, hat der Künstler seine erste Einzelausstellung in Esslingen. Hier endlich kann die breitere Kunstwelt diesen bemerkenswerten Künstler entdecken.
Böhringers Kunst hat eine ganz eigene Ästhetik. Seine Werke werden durch eine unbestimmte Lichtquelle neutral ausgeleuchtet, wie häufig die Arbeiten der Neuen Sachlichkeit. Und doch zeigt sich auf seinen Arbeiten eine völlig andere Dynamik, erzeugt durch die Bewegungen der Dargestellten oder extreme Perspektiven. Wie ein roter Faden zieht sich Maschine und Technik durch seine Kunst. Ob musizierende Tanzpaare, Jazzmaschinen, oder ein Gekreuzigter auf Schienen: Überall auf den Werken des Künstlers lauern Zeichen der Industrialisierung. Im Hintergrund seiner Gemälde ragen Strommaste, Kaminschlote oder Eisenteile auf. Häufig verbunden mit Elementen der Natur, hier ein einzelner Löwenzahn, oder Gestirne wie Saturn oder Sonne werden die Bilder zu einem Panorama der Gegensätze – Natur und Technik, Mensch und Maschine.
Böhringer liebt die Jazzmusik. Immer wieder tauchen Saxofone, Trompeten und Posaunen in seinen Bildern auf. Der hektische Rhythmus der Musik spiegelt sich in den extremen Posen der Musiker wider. Der verführerische Ton des Saxofons wird in den Nylonstrümpfen und hohen Absätzen der Spielerin verbildlicht. Alles ist hier Bewegung und Energie: die großen Schritte und Gesten der Spieler, der diagonal verlaufende Backsteinbau, der Mast im Hintergrund, der den Strom weiterleitet. Von hier ist es nur ein kleiner Schritt zur Jazzmaschine, die ein Jahr später entsteht. Die Musik als Energieträger. Das Schienenkreuz hingegen ist charakteristisch für das zunehmend von christlichen Motiven geprägte Spätwerk des Künstlers. Hier wird der Mensch zum Opfer der Maschine, des Fortschritts, gekreuzigt auf Schienen, schon halb zur Maschine geworden. So sind die Arme der Figur nur noch Stangen. Hat die Industrialisierung den Menschen zurückgelassen? Böhringers Kunst, so witzig und originell sie auch wirkt, beinhaltet immer eine stille, sozialkritische Komponente.
Variante zu Hetaere, 1941, WVZ Röttger 1986, Nr. 37.
Verso auf dem Rahmen mit handschriftlich nummeriertem Etikett „37“.
Nicht bei Röttger. Vgl. Röttger 37 („Hetaere“).
Ausstellung:
Württembergischer Kunstverein, Stuttgart, verso mit zwei verschiedenen Etiketten (Kat.-Nr. 21 bzw. Listen-Nr. 29).
Provenienz:
Esslinger Kunstverein.